Immobilienpreise:
Wende könnte bevorstehen

– 500.000 Euro für eine 4-Zimmer-Wohnung, Reihenhäuser im Speckgürtel für eine Dreiviertelmillion, freistehende Häuser – unbezahlbar: Wer in Städten wie Köln, Düsseldorf, Hamburg oder Frankfurt Wohnungen sucht, stößt auf Preise, die vor Jahren kaum jemand für möglich gehalten hätte. Selbst Experten ist der Ansturm auf Immobilien unheimlich. Mit den hohen Zuwächsen 2017 hat der seit Jahren dauernde Boom aber womöglich seinen Höhepunkt überschritten. „Die Party ist noch nicht vorbei, es kehrt aber Stabilität ein“, vermutet der Verband Zentrale Immobilien-Ausschuss (ZIA). Und das Analysehaus Empirica sagt voraus, in Berlin, München oder Stuttgart könnten die Preise um bis zu 30 Prozent binnen vier Jahren sinken.

Wohnungen elf Prozent teurer. Doch von einer Linderung der Wohnungsnot ist nichts zu sehen. Auch im dritten Quartal 2018 setzte sich der Preisanstieg ungebremst fort, wie eine Analyse des Hamburger Instituts für Stadt-, Regional- und Wohnforschung (GEWOS) für die Deutsche Presse-Agentur zeigt. Demnach kosteten Eigentumswohnungen im Bundesschnitt 8,2 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum und erreichten 1.875 Euro je Quadratmeter. Im Herbst 2017 waren die Preise binnen Jahresfrist genauso stark gestiegen. Bei Eigenheimen beobachtet GEWOS gar eine Beschleunigung. Die Preise kletterten dort um 7,6 Prozent auf 2455 Euro je Quadratmeter. Am stärksten verteuerten sich Wohnungen in den sieben größten deutschen Städten mit einem Plus von gut elf Prozent auf im Mittel 4110 Euro. „Ein Abflachen der Entwicklung ist nicht festzustellen“, sagt Geschäftsführerin Carolin Wandzik. Sie hat Immobilien bei mittlerer Lage und Ausstattung im Bau-Alter von 30 Jahren untersucht, die auf dem Online-Portal Immobilienscout24 angeboten wurden. Ihre Erkenntnisse decken sich mit Zahlen von Empirica, aus denen ebenfalls keine Atempause am Immobilienmarkt abzulesen ist. Bei neu gebauten Wohnungen gibt es demnach sogar einen Anstieg. Im dritten Quartal zogen die Preise dort um 8,0 Prozent an. Neue Eigentumswohnungen kosteten laut Empirica in München 8.158 Euro je Quadratmeter, gefolgt von Frankfurt (5.889 Euro) und Stuttgart (5.886 Euro). Solche Preise alarmieren die Bundesbank, die wiederholt warnte, Immobilien in deutschen Städten seien bis zu 30 Prozent überteuert. 

Baubranche ausgelastet. Ist der Markt 2019 also nach fast zehn Jahren der Preisanstiege reif für die Wende? Fachleute wiegeln ab. „Die Treiber für weiter steigende Preise sind intakt“, sagte Stefan Mitropoulos von der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba). Die niedrigen Zinsen, die Finanzierungen billig machten, dürften voraussichtlich nur leicht steigen. Und die Menschen strömten weiter in die Ballungsräume. Die Wirtschaft werde wohl ebenso gedämpft wachsen. „Ich sehe keine Rezession und schon gar keine, die ein Sinken der Immobilienpreise auslösen könnte“, sagt Mitropoulos. Zudem werde weiter nicht genug gebaut, auch wegen des Fachkräftemangels. „Die Baubranche ist stärker ausgelastet als im Wiedervereinigungsboom.“ Nach Einschätzung von Politik und Bauwirtschaft müssen jährlich 350.000 bis 400.000 Wohnungen pro Jahr entstehen. Im vergangenen Jahr wurden laut Bauindustrie allerdings nur 300.000 fertiggestellt. Es gibt also Nachholbedarf. So wurden Mitte der 1990er-Jahre mehr als 600.000 Wohnungen jährlich errichtet. Danach stiegen die Immobilienpreise im Schnitt lange kaum. Über Jahre wurde immer weniger gebaut, kurz nach der Finanzkrise 2009 sank die Zahl der Neubauten auf 160.000. Seither stiegen die Preise kontinuierlich.

Abschwächung der Preisanstiege. Auch der Verband der deutschen Pfandbriefbanken sieht eine Abschwächung der Preisanstiege in den größten deutschen Städten. Der Abstand zwischen Metropolen und Umland bei den Wachstumsraten sei nicht mehr so groß. Die Preise könnten 2019 langsamer klettern, sagt Hauptgeschäftsführer Jens Tolckmitt. Er betont aber: „Eine harte Korrektur erwarten wir nach wie vor nicht.“ Dazu müssten Investoren in Scharen deutsche Immobilien meiden. Die vielen Regulierungsvorstöße der Politik werden die Konjunktur am Markt bremsen, glaubt der Zentrale Immobilien-Ausschuss. „Ein schärferes Mietrecht inklusive der Reduzierung von umlagefähigen Kosten bei der Modernisierung, eine höhere Grundsteuer, zusätzliche städtebauliche Eingriffe oder gar der Ruf nach einem Stopp von Mieterhöhungen an sich schrecken Investoren ab“, sagt Präsident Andreas Mattner. Helaba-Experte Mitropoulos ist skeptisch. Der politische Vorstoß für mehr sozialen Wohnungsbau genüge nicht für eine Entspannung der Wohnungsnot. Für Normalverdiener bleibe oft nur das Ausweichen ins Umland. Denn reiche Interessenten gebe es weiterhin genug.

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