Zimmer gesucht, Engagement gefunden

– Eine Alternative zur klassischen Studenten-WG bietet das Projekt „Wohnen für Hilfe“ (WfH). Die Idee dahinter ist einfach: Mithilfe statt Miete. Insbesondere für junge Menschen mit wenig Budget ist es eine Möglichkeit.

Angebot und Nachfrage. Zwölf Quadratmeter, 550 Euro Kaltmiete, Wasser, Müll und Strom extra – das kostet ein WG-Zimmer nahe der Kölner Universität. Studenten müssen für eine Bleibe in Großstädten tief in die Tasche greifen. Doch Vorlesungen und Seminare lassen sich mit einem Nebenjob häufig nur schwer vereinbaren. Das Projekt „Wohnen für Hilfe“ bringt Nachfrage und Angebot zusammen – Menschen, denen ihre eigenen vier Wände zu groß geworden sind, die Unterstützung im Haushalt brauchen oder einfach mehr am Leben teilnehmen möchten, stellen Teile ihres Wohnraumes zur Verfügung.

Vermittelt werden eingeschriebene Studenten, ihre Währung ist das soziale Engagement. Sie erledigen Arbeiten im Haushalt, begleiten zu Behörden, betreuen Kinder oder leisten einfach Gesellschaft. Pflegedienste sind ausgeschlossen. Zu zahlen sind lediglich Nebenkosten für Strom, Heizung und Wasser. Wie viel sie unterstützen, hängt von der Größe des überlassenen Wohnraumes ab. Als Faustregel gilt: eine Stunde Hilfe im Monat pro Quadratmeter.

Senior trifft Student. Dr. Claus Welcker und Lukas Moser (Foto) leben in einer solchen Gemeinschaft in Köln-Marienburg. Wohnraumanbieter Dr. Welcker leitete von 1965 bis 1993 die Schütte-Werke, Moser studiert im fünften Semester Geographie. Der 22-Jährige bewohnt eine 30 Quadratmeter große separate Einliegerwohnung mit eigenem Zugang. Obwohl sie sich nicht zwangsläufig über den Weg laufen, sehen sich die beiden regelmäßig. „Ich finde es beruhigend, dass noch jemand im Haus ist, der nach mir schaut“, sagt der 93-Jährige. Ihre Gemeinschaft gibt ihm ein Stück Sicherheit und auch Freiheit. Selbstverständlich unterstützt der junge Mann den Senior im täglichen Leben. So geht er mit dem Hund spazieren, schippt im Winter Schnee und kümmert sich um anfallende Arbeiten. „Hin und wieder kocht Lukas für mich mit“, so Dr. Welcker. „Dann essen wir gemeinsam, trinken etwas und diskutieren über interessante Themen.“

Es war ein glücklicher Zufall, dass ausgerechnet ein Geographie-Student bei dem ebenfalls an Geographie interessierten Senior vor rund zwei Jahren einzog. Auf das Projekt aufmerksam wurde Dr. Welcker über einen Bekannten, Moser erfuhr aus dem Internet davon. Beide meldeten sich bei den Diplom Heilpädagoginnen Heike Bermond und Sandra Wiegeler von „Wohnen für Hilfe“ und wurden schnell vermittelt.

Treffen mit anschließendem Probewohnen. Steht der Entschluss fest, diese Option in Betracht zu ziehen, ist die weitere Organisation unkompliziert. Heike Bermond und ihre Kollegin Sandra Wiegeler besuchen die Wohnraumanbieter zu Hause und besprechen, welche Unterstützung sie sich wünschen und wie sie sich das Zusammenleben vorstellen. Interessierte Studenten werden in das Büro eingeladen. Anhand eines Fragebogens klären Bermond und Wiegeler die Wünsche und Vorstellungen ab. „Anschließend suchen wir diejenigen aus, die gut zueinanderpassen und stellen den Kontakt zwischen den Personen her“, so Bermond. Es folgt ein Treffen mit anschließendem Probewohnen. „Wir begleiten die Wohnpartner vom ersten Kennenlernen bis zum Vertragsabschluss“, erklärt Bermond weiter. „Falls es mal Fragen oder Probleme gibt, stehen wir natürlich mit Rat und Tat zur Seite.“

In Zeiten der Wohnungsnot trifft das Projekt mitten ins Schwarze. „,Wohnen für Hilfe‘ ist eine soziale Initiative, die Menschen zueinander bringt, die beide einen Bedarf haben“, sagt Bermond. Der eine benötigt Unterstützung in alltäglichen Dingen, der andere Wohnraum. „Allerdings geht es nicht nur darum“, so Bermond. „Es sollte auch auf der persönlichen Ebene Interesse bestehen, ein solches Wohnverhältnis einzugehen.“ Genau wie bei Dr. Claus Welcker und Lukas Moser. So gibt es, wie bei ihnen, Wohnpartnerschaften, die gemeinsam ihre Mahlzeiten einnehmen. Darüber hinaus können gemeinsam kulturelle Aktivitäten unternommen werden.

Personenkreis erweitert. In Köln entstand die Kooperation zwischen der Stadt, der Universität und Seniorenvertretung im Jahr 2009. Die ursprüngliche Idee, Senioren und Studenten zusammen zu bringen, stammt aus England und kam in den 1990er-Jahren auf. „Wir haben den Wohnraumanbieterkreis von älteren Menschen auf alle Kölner Burger erweitert“, erzählt Bermond. Dass sie den Personenkreis erweitert haben, sei gut so: „Denn die Nachfrage war und ist größer als das Angebot.“ Nicht nur Senioren, sondern genauso Familien und Alleinerziehende benötigen Unterstützung im Haushalt und bei der Kinderbetreuung. Das Projekt wird gut angenommen. „Wir vermitteln jährlich um die 80 neue Wohnpartnerschaften“, so Bermond. Die Dauer des Zusammenlebens hängt wiederum von verschiedenen Faktoren ab, wie zum Beispiel der Studiendauer oder dem Gesundheitszustand des Wohnraumanbieters.

Sowohl Dr. Welcker als auch Lukas Moser schätzen einander und die Vorzüge ihrer Wohngemeinschaft. Auch, weil Lukas für seinen Vermieter inzwischen wie ein Enkel ist. Für  Lukas Moser ist das Projekt ebenfalls eine gute Lösung. Selbst wenn er regelmäßig zu Hause sein muss, empfindet er das Zusammenleben als positiv. „Ich kann sehr viel von Herrn Welcker, besonders durch seine Geschichten vergangener Tage, lernen.“ Daher wünschen sich beide, noch lange zusammen zu wohnen.

Foto: Privat